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Dienstag, 3. Januar 2023

Nachtrag

Die Malaien sehen Singapur durch eine andere Brille. Für sie ist es eher ein Polizeistaat, der mit Restriktionen und horrenden Gebühren das Einsickern armer Gesellschaftsteile verhindert. Der Grenzübertritt kostet bereits eine Gebühr, und zwar jedes Mal, also täglich. Für Arbeitsmigranten ist da der halbe Tageslohn schon weg. Autos darf man nur besitzen, wenn man eine Eigentumswohnung in Singapur besitzt. Überhaupt muss man vor Anschaffung eines Autos eine Genehmigung beantragen, die wohlwollender ausgestellt wird, je teurer das Auto ist bzw. je mehr man für dasselbe Auto bietet. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge im Stadtstaat ist begrenzt, was den nach unserem Empfinden für eine Großstadt überschaubaren Verkehr erklärt. Littering (also das Wegwerfen von Müll) wird mit empfindlichem Bußgeld bestraft, im Wiederholungsfall zusätzlich mit Stockhieben. Die Einfuhr von Zigaretten und Kaugummi ist strengstens untersagt, das Rauchen nur in ausgewiesenen Zonen erlaubt. Sollte man trotz Verbots einen Kaugummi kauen oder gar ausspucken, sind Strafen von 500 Dollar und mehr fällig. Selbstmord wird mit 10 Jahren Haft bestraft (falls es nicht klappt). Obdachlosigkeit wird ohnehin nicht geduldet (wer nachts im Zelt schläft, gilt als Camper). Homosexualität ist offiziell strafbar, aber im nichtöffentlichen Raum schaut keiner drauf. Alles in allem sorgt Singapur dafür, mittellose Bevölkerungsschichten auszusperren und die Tore für die Reichen und Schönen zu öffnen, also jenen Menschen, die Geld in die Stadt bringen. Man spürt den moralisch falschen Ansatz und sieht eine Stadt der Träume. Andererseits leben 80% der Bevölkerung in Sozialwohnungen, die vom Staat gestützt und teilfinanziert werden. Eigentumswohnungen, wohlgemerkt. Der Staat geht davon aus, dass die Leute, wenn sie etwas besitzen, auch nicht wollen, dass es Schaden nimmt. Dabei werden Ethnien und Berufe nach einem staatlich festgelegten Schlüssel gemischt, Ghettobildung ist ausgeschlossen. Arm und reich sollen zusammen wohnen, der Arzt neben dem Handwerker, der Musiker neben dem Müllmann. Chinese neben Muslim, Christ neben Malaie. Zum Vergleich: Nach der Unabhängigkeit Singapurs 1965 lebten etwa zwei Drittel der Bevölkerung in Slums oder Häusern ohne Strom und Wasser.
Irgendwie erscheint mir diese Entwicklung als das pure Gegenteil dessen, was Deutschland gerade macht. Vielleicht täusche ich mich auch. Schauen wir mal, wo wir in ein paar Jahrzehnten stehen und vergleichen wir, wo Singapur vor ein paar Jahrzehnten stand.  



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