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Sonntag, 21. Mai 2023

Kreative Verkehrsführung

Die Verkehrsregeln im Libanon entsprechen weitestgehend den unseren. Es gilt das Rechtsfahrgebot, Sicherheitsgurte müssen angelegt sein, Blinker und Beleuchtung müssen ordnungsgemäß funktionieren, Warnweste und Warndreieck sind mitzuführen, für Moped- und Motorradfahrer gilt Helmpflicht. Soweit die Theorie. In der Realität wird gern auf das ganze Beiwerk mit Seitenspiegeln, Sicherheitsgurten und Helmen verzichtet. Hauptsache, der Motor läuft noch. Zwischen all den Schrottkarren werden polierte Nobelkarossen spazierengefahren. Seht her, was ich für einen Dicken habe! Die Verkehrsschilder dienen als Richtlinie und können ausgehandelt werden. Grundsätzlich muss man mutig drauflosfahren, sonst kommt man nicht vom Fleck. So kann es passieren, dass Dir in der Einbahnstraße einer entgegenkommt. Dann wird lautstark diskutiert, bis man sich einigt, wer zurückfahren muss (selbst erlebt!). Wenn Du an einer Kreuzung stehst, wo nach allen Seiten Einfahrverbot besteht, hast Du vermutlich den falschen Weg gewählt.

Ratlos stehen wir vor Fußgängerampeln, die gleichzeitig rot und grün leuchten oder blinken. Was wird uns hier signalisiert? Du kannst gehen, aber auf eigene Gefahr?


Abschied nehmen

Nun sitzen wir bereits auf gepackten Koffern und werden gleich in Richtung Flughafen chauffiert. Es waren wunderbare 4 Tage im Libanon. Bei einigen unserer Reiseziele hatten wir das Gefühl, nicht unbedingt ein zweites Mal dahin reisen zu müssen. Beim Libanon ist das anders, hier wollen wir auf jeden Fall nochmal hin. Darauf einen letzten Drink! 




Samstag, 20. Mai 2023

Im Zentrum der Stadt

Ein halbstündiger Spaziergang führte uns heute ins administrative Zentrum der Stadt. Die im Bürgerkrieg zerstörte Innenstadt wurde auf fragwürdige Art wiederaufgebaut. Ehemalige Eigentümer wurden enteignet und entschädigt. Ein einziger (halbstaatlicher) Investor strukturierte und bebaute das gesamte Areal. Der neue Central District ist hübsch, sauber, aber steril. Zumindest lockern die restaurierten historischen Kirchen und Moscheen das Gesamtbild auf. Trotzdem oder deswegen flammen in regelmäßigen Abständen Konflikte auf, gibt es Schießereien und Attentate mit vielen Toten. Aus diesem Grund sind viele Straßen für den Verkehr gesperrt, wichtige Gebäude sowie Kirchen und Moscheen werden vom Militär mit Maschinengewehren im Anschlag bewacht. Inmitten der Straßensperren bewegten wir uns einsam durch die historische Substanz, besichtigten Kirchen und Moscheen. Unsicher haben wir uns nie gefühlt, es schien surreal, wie in einem Computerspiel á la King´s Quest: Finde den nächsten Schatz!






Mitnichten soll dieser Bericht nach der großen Tristesse klingen. Im Gegenteil. Wir hatten einen großartigen Nachmittag! Denn inmitten der hübschen Bausubstanz entwickelt sich aus der Depression der großen Explosion heraus neues Leben auf den Straßen. Die Souks von Beirut sollen in drei Monaten wieder vollständig öffnen, in den Fußgängerzonen etablieren sich Straßenmärkte, wo Christen, Drusen und Muslime ihre Waren feilbieten. Auf einem dieser Märkte sind wir hängengeblieben, haben neue Freundschaften geschlossen mit Sylvia, Sam und Michael. Wir haben Kontakte geknüpft zu einem kleinen Weingut im Libanongebirge und Einladungen bekommen nach Panama, wo man wunderschönen Urlaub machen könne. Wir haben Gewürze gekauft, Kichererbsenbrei gegessen, Arak probiert und leckeren Wein und Sangria genossen. Außerdem gab es gute Tipps zum Ausgehen heute Nacht. Einfach ein wunderbarer Tag!

Freitag, 19. Mai 2023

Geschichte zum Anfassen

Byblos gilt als eine der ältesten Städte weltweit, nachweislich besiedelt seit achttausend Jahren. Bereits um 2.800 vor Christus erhielt Byblos eine Stadtmauer. Hier haben sich Ägypter, Babylonier, Assyrer, Perser, Phönizier, Griechen, Römer, Byzantiner, Kreuzritter, Mameluken und Osmanen, nicht zuletzt Franzosen und Engländer sozusagen die Klinke in die Hand gegeben. Der Name Byblos ist altgriechisch und heißt Buch oder Bibel oder Bibliothek. Das rührt daher, weil Byblos im Altertum ein wichtiger Handelsplatz für Papyrus war. Und in Byblos wurde aus der Keilschrift das erste Alphabet entwickelt, welches sich auf Papier darstellen lässt. Es ist damit der Ursprung unseres heutigen Alphabets.

In der Altstadt von Byblos ist die beeindruckende Kreuzritterburg erhalten, dazu Überreste der phönizischen Stadtmauer und des phönizischen Hafens sowie Tempelreste und ein Amphitheater aus römischer Zeit. Die Altstadt hat uns richtig gut gefallen mit ihren alten Gebäuden und Kirchen, einem Souk, der sich durch die Gassen zieht, schattenspendenden Bougainvillen sowie einladenden Restaurants und Bars. 







Eines unserer beliebten Suchbilder: Finde Steffi!

The Lady of Lebanon

Nördlich von Beirut liegt die bedeutende christliche Pilgerstätte Harissa. Hier thront auf einem Hügel die 15 Tonnen schwere weiß bemalte Bronzestatue der Jungfrau Maria als Beschützerin des Libanon. Sie wird deshalb französisch Notre Dame du Liban oder auf englisch The Lady of Lebanon genannt. Den Blick über die Bucht bis nach Beirut fanden wir besonders beeindruckend. Nach dem Besuch der Pilgerstätte seilten wir uns ins Tal ab. Vorher gab es einen Abstecher zu zwei imposanten Tropfsteinhöhlen, an deren Eingang komischerweise Handys und Kameras abgegeben werden mussten. War trotzdem schön. 




Die große Explosion

Am Abend des 4. August 2020 kam es im Hafen von Beirut zu einer der größten Explosionen der Menschheitsgeschichte. Die durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse und mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen ausgelöste Katastrophe forderte mehr als 200 Menschenleben. 6.500 Menschen wurden verletzt und ca. 300.000 verloren ihre Wohnung. Etwa 8.000 Gebäude wurden durch die Explosion beschädigt, selbst in 20km Entfernung barsten Fensterscheiben. Die Überreste der anfangs nur beschädigten und erst im Juli und August 2022 nahezu vollständig eingestürzten Getreidespeicher sind von Weitem sichtbar. Viele beschädigte Häuser stehen weiterhin fenster- und trostlos in unmittelbarer Nähe des Hafens. 

Die Vorgeschichte der Explosion klingt so unglaublich, dass sie aus einem Roman stammen könnte. Ein russischer Oligarch mit Wohnsitz in Zypern schickte 2013 ein mit Ammoniumnitrat aus Georgien beladenes moldauisches Schiff in Richtung Mosambik. Da niemand das Geld für die Durchfahrt des Suezkanals aufbringen konnte, steuerte das Schiff als Zwischenstopp den Hafen von Beirut an. Die libanesischen Behörden fanden ein Leck und weitere technische Probleme am Schiff und setzten es daraufhin fest. 2014 schließlich verloren sowohl der Auftraggeber, eine mosambikanische Bank, als auch der Oligarch das Interesse am Schiff und gaben es auf. Die Hafenbehörden löschten daraufhin die Fracht und brachten das Ammoniumnitrat in eine der Lagerhallen. 2018 sank die Rhosus (so hieß das Schiff) an der Mole des Beiruter Hafens. Die libanesische Zollbehörde war sich der Gefahr bewusst und bat die Justizbehörde insgesamt sechsmal um Entscheidung, wie mit der heiklen Fracht zu verfahren sei. Sie schlug auch Lösungen vor, wie den Export ins Ausland oder die Übergabe an das Militär. Sicherheitsexperten schlugen zudem im Juli 2020 Alarm, das Unglück folgte kurz darauf. Ein durch Schweißarbeiten ausgelöster Funke entzündete einen Lagerraum für Feuerwerkskörper, dessen Explosion die weitaus verheerendere Explosion nach sich zog. So ist das, wenn sich die Kollegen Zufall und Dummheit mit der launischen Inkompetenz verbünden.

Die Überreste der Getreidesilos

Fensterlose Fassaden in Hafennähe

Donnerstag, 18. Mai 2023

Erste Eindrücke

Wir haben gut und lange geschlafen. Das libanesische Frühstück war war absolut lecker und ist empfehlenswert. Zu arabischem Fladenbrot, Chubz (arab.: Brot) genannt, wurden türkischer Joghurt, ein gekochtes Ei, Wurst, Käse, Gurken, Tomaten, Oliven gereicht, dazu Kaffee und Orangensaft. So gestärkt, machten wir uns zu einem Spaziergang durch die Stadt auf. Die amerikanische Universität liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Hotel. Das weitläufige Areal mit historischen Gebäuden, Parkanlagen und einem archäologischen Museum ist einen Besuch wert. Nach Abgabe unserer Ausweise durften wir uns frei auf dem Gelände bewegen. Der Slogan der Uni "where free minds flourish" passt zur Kleiderordnung der Leute hier. Man fühlt sich im ersten Augenblick nicht wie in einem arabischen Land, die Menschen sind wie bei uns zu Hause gekleidet, Frauen tragen das Haar meist offen, dazu Tops, Shorts oder Kleider. Steffi gehört zur Minderheit der Kopftuchträger 😜. Entlang der Strandpromenade sonnen sich die Menschen auf den Klippen oder gehen baden. Uns erschien es etwas gefährlich ob der heftigen Brandung und den schroffen Felsen, aber einige natürliche Felsenpools erschienen einladend. Leider habe ich meine Badehose vergessen 😕. 

Auf den zweiten Blick ist reichlich Elend zu sehen. Kein Hauch von Paris. Neben wenigen Überbleibseln leerstehender (ehemals) hübscher Gebäude aus der Zeit des französischen Protektorats dominieren gesichtslose Betonklötze das Stadtbild. Der Blick von der Rooftop-Bar bei Tageslicht bestätigt die Ambivalenz. 





Blick nach vorn

Blick rechts runter


Mittwoch, 17. Mai 2023

Millionäre auf Zeit

Für uns ist das mit dem Geld hier eine Umstellung. Faktisch gibt es zwei Parallelwährungen: Libanesische Pfund und amerikanische Dollar. Mit der Karte zu zahlen ist theoretisch möglich, aber praktisch nicht anwendbar. Die Aufschläge der heimischen Banken liegen bei Kartenzahlung zwischen 10% und 25%. Also ist Bargeld angesagt. Um beim Bezahlen nicht in die Touristenfalle mit falschen Umrechnungskursen zu tappen, beschafft man sich am besten einheimisches Geld. Gesagt, getan. Der offizielle Kurs lautet 1:16.258, für einen Euro bekommt man also gut 16.000 Pfund. Wir tauschten fürs erste mal 200,- Euro und waren auf einen Schlag Multimillionäre. Satte 19 Millionen Pfund gabs dafür! Das macht einen Kurs von 1:95.000. Und da haben wir noch nicht mal nach dem besten Angebot gesucht. Jetzt haben wir vier Tage Zeit, die Millionen auszugeben. Nach zwei Gläsern Wein waren die die ersten 700.000 schon weg. Wie gewonnen, so zerronnen 😢.
Wegen der Währungskrise erhält man in den Restaurants keine Menükarten, sondern ausschließlich QR-Codes zum Scannen der Online-Menükarte. Diese lässt sich problemlos aktuell halten, bei gedruckten Karten kämen die Leute mit dem Nachdruck nicht hinterher. 



Paris des Ostens

Als wir unserer Familie erzählten, einen Städtetrip in den Libanon gebucht zu haben, schauten uns alle ungläubig an. Ob wir denn kein besseres Ziel gefunden hätten, fragten sie. Oder, ob wir lebensmüde seien. Jetzt sitzen wir hier in einer Rooftop-Bar im Herzen Beiruts, dem Paris des Ostens, und sind recht zufrieden mit unserer Wahl. Noch ist es dunkel. Schauen wir mal, was die nächsten Tage so bringen 😊.




Zurück in die Zukunft

Neues Land, neue Leute. Wir freuen uns auf einen spannenden Kurztrip in ein Land, in dem wir noch nie waren. Spannend geht es bereits los. Wir betreten den Flieger mit dem Logo einer Airline, die schon pleite war, bevor es den Flughafen gab, von dem wir fliegen 😯.