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Sonntag, 29. September 2024

Chiwa

Auf besonderen Wunsch hin und mit einer Prise Eigenantrieb schreibe ich nun auf dem kleinen Smartphone-Bildschirm unsere Erlebnisse in Usbekistan fort. Auch habe ich einen Weg gefunden, die Kamerafotos aufs Telefon zu übertragen. 

Die Oasenstadt Chiwa blickt auf eine mehr als zweieinhalbtausend Jahre alte Geschichte zurück. Ab dem 16. Jahrhundert bis zur Eingliederung in die Sowjetunion regierten 53 Khans das Khanat Chiwa, welches sich vom Kaspischen Meer über den Aralsee bis an die Grenzen des Emirates Buchara erstreckte. Das Kennzeichen der Einwohner von Choresmien, wie die Region genannt wird, sind große Fellhüte, welche im Sommer vor Sonnenstich und im Winter vor Kälte schützen. Ein bedeutender Teil des ehemaligen Herrschaftsgebiets liegt im heutigen Turkmenistan, einer Blackbox in Sachen Tourismus. Das Nachbarland wird autoritär regiert und schottet sich stark ab. Touristen erhalten nur dann ein Visum, wenn sie eine Einladung von Einheimischen vorlegen. Die Bevölkerung trägt ausschließlich traditionelle Kleidung. Nachdem anfangs noch Frauen ab vierzig Auto fahren durften, ist ihnen dies seit 2018 komplett verboten. Die Regierung führte als Grund eine Statistik an, wonach Frauen in mehr als 50% der Verkehrsunfälle verwickelt gewesen seien. Jetzt dürfen Frauen nicht einmal mehr vorne im Auto sitzen, sondern nur noch im Fond. Hier in Usbekistan dürfen die Frauen zwar Auto fahren, aber eine Form der Diskriminierung gibt es insofern, dass auf Frauen zugelassene Fahrzeuge mit einem Stöckelschuh-Symbol am Heck gekennzeichnet sind, ähnlich dem "L" bei Fahranfängern. Soll heißen: Bitte besonders aufmerksam sein.

Zurück nach Chiwa. Die Stadt wurde früher von zwei Mauerringen umgeben. Davon ist nur noch der innere Ring erhalten, dafür aber nahezu vollständig. Diese innere Stadt ist ein Museum. Der Eintritt wird am Eingangstor fällig. Wir wohnen innerhalb der Stadtmauern, also mitten im Museum. Die meisten Gebäude sind aus Lehmmörtel errichtet. Die UNESCO hat ein Auge darauf, dass Gebäude nur mit diesem Baustoff errichtet oder saniert werden. Der Lehm wird an Ort und Stelle eingeweicht, mit Stroh vermischt und verarbeitet. Aus dem Stadtbild ragen mehrere Minarett-Türme heraus. Den höchsten haben wir auf einer engen Wendeltreppe bestiegen. Wir wurden mit einem grandiosen Blick über die Stadt belohnt. Ein besonders dicker Turm blieb unvollendet. Über den Grund ranken sich Mythen. Er sollte einst 70 bis 100 m hoch werden und damit das höchste Minarett der islamischen Welt. Der Emir von Buchara soll den Baumeister mit doppeltem Lohn zu sich gelockt haben, um die Vollendung zu verhindern. Ein architektonisches Highlight und einzigartig in Zentralasien ist die mehr als eintausend Jahre alte Freitagsmoschee. Der Innenhof wurde als Schutz vor Sonne, Regen und Kälte überdacht. Das flache Dach wird von 212 kunstvoll geschnitzten Holzsäulen getragen, welche in einem symmetrischen Abstand von 3,15 m zueinander stehen. Der Erhalt der Säulen wird von einem Verein aus Quedlinburg unterstützt und so trafen wir einen Tischler und eine Restauratorin aus deutschen Landen in der Moschee, als sie usbekische Tischler unterwiesen.

Auf Schritt und Tritt bietet die Stadt Fotomotive. Auf dem zentralen Platz backen Frauen in traditionellen Lehmöfen, Tandor genannt, Brot. Auf den Terrassen der Restaurants lässt es sich hervorragend verweilen. Abends sind Live-Bands und Tanzgruppen unterwegs. Die Einwohner Chorismiens sind berühmt für ihre Musik und Fröhlichkeit. 



















Freitag, 27. September 2024

Durch die Wüste nach Choresmien

Mit eingeschränkten technischen Mitteln sende ich hiermit meinen vorerst letzen Post. Leider hat mein Laptop heute morgen den Geist aufgegeben. Auf meinem Handy kann ich weder die Fotos meiner Kamera darstellen noch vernünftig Texte schreiben. 

Wir fuhren heute sieben Stunden durch die baumlose Wüste, um zur alten Stadt Chiwa (auch Xiva oder englisch Khiva) zu gelangen. Dieses Kleinod werden wir in den nächsten Tagen bestaunen. Auf dem Weg mussten wir den Amudarja queren, was zur Geduldsprobe wurde. Die Brücke ist nur einspurig und gleichzeitig für den Eisenbahn- als auch Straßenverkehr vorgesehen. So mussten wir erst einen Zug und dann den Gegenverkehr passieren lassen, bevor wir nach 20 Minuten Wartezeit die Brücke überqueren durften. 

Einen ersten Eindruck der Wüstenstadt Chiva erhielten wir bei einem kurzen Stadtbummel. Die Nächte werden jetzt kühler, also haben wir unser Equipment entsprechend aufgestockt.













Donnerstag, 26. September 2024

Eine Perle an der alten Seidenstraße

Die Städte, welche wir besuchen, werden der Reihenfolge nach immer kleiner, dadurch beschaulicher und pittoresker. Ein wahres Kleinod ist Buchara (usbekisch Buxoro). An einer zentralen Route der alten Seidenstraße gelegen, hat die Stadt eine wechselvolle Geschichte. Zahlreiche ehemalige Karawansereien in der Stadt zeugen von der Bedeutung als Handelszentrum. Heute sind die von Bäumen beschatteten Innenhöfe beliebte Restaurantplätze, umgeben von Souvenirläden. In einem solchen Innenhof sitze ich gerade und schreibe diesen Text. Die Stadt existierte wohl schon zu Zeiten Alexander des Großen und erlebte ein Blüte unter persischer Herrschaft der Samaniden im 9. und 10. Jahrhundert. Buchara wurde zum Zentrum von Handel und Handwerk sowie ein geistiger Pol des Islams im Osten. Ein Mausoleum und das Wahrzeichen der Stadt, das zentrale Kalon-Minarett, zeugen von jener Zeit. Berühmte Wissenschaftler, wie der Arzt und Philosoph Avicenna, lebten und wirkten hier. Als die Mongolen unter Dschingis Khan einfielen, wurde die Stadt nahezu vollständig zerstört und benötigte mehrere hundert Jahre, um zu neuer Blüte zu gelangen. Das Minarett blieb wie durch ein Wunder erhalten. Der Legende nach stand Dschingis Khan davor, schaute nach oben und verlor seinen Hut. Als er sich  hinkniete, um den Hut aufzuheben, sagte er: "Niemand hat mich bisher in die Knie zwingen können, dieser Turm hat es geschafft. Er soll erhalten bleiben." Im sowjetischen Bürgerkrieg von 1920 wurde die Stadt von der Roten Armee schwer bombardiert und erneut zu 75% zerstört. Die Burg Ark mit dem Palast des Emirs ging verloren. Nur ein kleiner Teil blieb erhalten, die Burgmauern werden gerade restauriert. Der Emir flüchtete nach Afghanistan, ließ Frau(en) und Kinder zurück und nahm nur sein Gold mit. Sein Herrschaftsgebiet wurde zur Sowjetischen Volksrepublik Buchara und ging 1924 in der Usbekischen Sozialistischen Volksrepublik (USSR) auf. Die Nachfahren des Emirs leben heute in Pennsylvania, USA. Das Gold des Emirs liegt bei einer Schweizer Bank mit der Auflage, es Usbekistan auszuzahlen, wenn es eine islamische Republik wird. Soll es ruhig liegen bleiben bis zum jüngsten Gericht. 

Die Innenstadt ist heute ein einzigartiges autofreies Freiluftmuseum. Selbst unter der Woche sind die Gassen bis Mitternacht belebt, viele Läden haben bis 23 Uhr geöffnet. In den Restaurants gibt es abends Live-Musik und Folklore-Tänze. Besuche traditioneller Handwerksbetriebe, von der Teppichknüpferin bis zum Damaszener-Messerschmied, dürfen in Buchara nicht fehlen. Ein schöner Ort zum Verweilen.





Wo einst der Emir-Palast stand, ist nur noch Wüstenei.











Dienstag, 24. September 2024

Ein Abend in Buchara

Bei Wein, Weib und Gesang (Gesang war aus, Wein gabs später) verbrachten wir unseren ersten Abend in Buchara. Der Hodscha Nasreddin darf natürlich nicht fehlen. Er ist der Till Eulenspiegel des Orients und seit dem sowjetischen Kinofilm "Nasreddin in Buchara" aus dem Jahr 1943 eng mit der Stadt verbunden. Hier ein Kostprobe seiner Weisheiten: "Der Hodscha wird gefragt: »Auf welcher Seite des Sarges muss man bei einem Begräbnis gehen? Vor dem Sarg, dahinter, rechts oder links davon? »Die Seite spielt keine Rolle«, antwortete der Hodscha, »solange du nicht drinnen liegst!«"

Ein Friseurbesuch im fremden Land hat mittlerweile Tradition. Nach dem Essen ging es gegen 22 Uhr nochmal zum Barbier. Waschen, scheiden, föhnen, rasieren, Kopfmassage - Das volle Programm. 150.000 Som (knapp 11 EUR). Es hat sich gelohnt.




Bilderrätsel

Wie viele Kamele sind auf der Fotomontage zu erkennen? (Hinweis: Es gibt mehrere richtige Lösungen. Bei genauem Blick erkennt man auch ein paar Esel ;-)

Im Jurtencamp

Heute ging es in die Wüste Kysylkum. Auf dem Weg hielten wir an einem See für ein erfrischendes Bad. Der See ist 180km lang, ca. 35km breit und bis zu 40m tief. Das sind die Dimensionen hier in Usbekistan. Dieses kleine Meer ist mehr oder weniger durch Zufall entstanden. Als im Jahr 1969 ein gewaltiges Hochwasser des Syrdarja drohte, Siedlungen und landwirtschaftliche Flächen am Aralsee zu überfluten, entschloss sich die Regierung, das Wasser in die Wüste abzuleiten. In einer großen Wüstensenke sammelte sich das Hochwasser. Der See entstand und wird nun auf konstantem Niveau gehalten. An unserer Badestelle war weit und breit kein Mensch zu sehen, da sind wir gleich nackig reingegangen.

Nach Ankunft im Camp bezogen wir unseren Jurten und genossen anschließend den Sonnenuntergang bei einem Kamelritt durch die Wüste. Der Abend klang bei kasachischer Volksmusik am Lagerfeuer aus. Das Gebiet wird hauptsächlich von Kasachen bewohnt, die Grenze ist nur wenige Kilometer entfernt. Unterwegs speisten wir in einem kasachischen Restaurant und tauchten etwas ins Leben der Einheimischen ein.