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Sonntag, 10. November 2019

Stadtbummel

Zu Fuß und mit der Rikscha sind wir am Nachmittag durch Udaipur gezogen, haben uns den Stadtpalast angesehen, dessen Eingangstor eine für Deutsche verstörende Symbolik aufweist, sind durch die Gassen gezogen und motorisiert zum stärkenden Bier gefahren (die Altstadt ist komplett alkoholfrei, auch in Restaurants). Erstaunen ruft immer wieder die Beherrschung der dreirädrigen Fahrzeuge durch ihre Fahrer hervor. In Situationen, wo wir sagen, hier geht nichts mehr, finden sie eine Lücke und steuern das Gefährt durch unmögliche Engpässe. Also Hände weg von der Armlehne, sonst sind die Finger weg.





Magie im "Garten der Jungfern"

Nein, Ihr habt nicht zu viel getrunken, trotzdem sind wir doppelt auf einem Foto...😃

Bootstour durch das Venedig des Ostens

Udaipur trägt tatsächlich den Beinamen "Venedig des Ostens", wobei wir schon einige Städte rund um den Globus besucht haben, die sich das Venedig von irgendwas nennen. Zumindest liegt Udaipur mehr oder weniger inmitten dreier Seen, die durch Kanäle verbunden sind. Paläste und namhafte Hotels ragen als Inseln aus dem Wasser. Über allem erhebt sich der Palast des Maharana und die sich anschließende Altstadt. Udaipur ist wirklich eine schöne und im Vergleich zu anderen indischen Städten verhältnismäßig saubere Stadt, die uns außerordentlich gut gefällt. Sie diente als Kulisse namhafter Filme, wie z.B. Der Tiger von Eschnapur oder James Bonds Octopussy mit Roger Moore. Sängerinnen wie Beyoncé, Elli Goulding und Shakira traten auf der privat mietbaren Taj Lake Palace - Insel für betuchte indische Geschäftsleute zu Hochzeiten oder Geburtstagen auf. Wer also noch eine coole Location fürs nächste Fest sucht: Für schlappe 130.000,- EUR/Tag kann man das Inselchen mieten, zzgl. Ausstattung, Catering etc. Wir also aufs Boot und rüber zur Insel. Leider sind die Verhandlungen gescheitert, obwohl wir lediglich ein paar Nullen streichen wollten. Der grandiose Blick vom Wasser auf die Stadt wurde dadurch nicht getrübt.







Samstag, 9. November 2019

Mit dem Fahrrad durch Udaipur


Nach der Ankunft im Hotel (mit herrlicher Aussicht auf Berge und Stadt) und einer kurzen Nacht fuhren wir am frühen Morgen mit dem Rad durch die erwachende Altstadt. Die Leute wuschen sich draußen und putzen Zähne, die Frauen wuschen ihre Wäsche, Händler bauten ihre Stände auf und die Kinder wurden zur Schule gebracht. Wir fütterten die Kühe auf der Straße (taten also was fürs Karma) und tranken gemeinsam mit unserem Reiseführer einen original indischen Tee mit viel Milch und Zucker als Muntermacher und Energiespender.





Durchs Aravalligebirge

Unsere Fahrt führte uns aus der trockenen Ebene durchs Aravalligebirge weiter nach Udaipur, der Perle Rajastans. Endlich dschungelbedeckte Bergrücken und frische Luft! Die Straßenführung war recht abenteuerlich und am Straßenrand beobachteten Makaken das Treiben der motorisierten Menschen.

Unterwegs besuchten wir einen Tempel der Jain, gelegen mitten im Dschungel. Der Tempel erwies sich im Inneren als Meer aus kunstvoll verzierten Säulen und Kuppeln, alles aus Marmor herausgearbeitet und 600 Jahre alt! Im An der Decke des Eingangsbereichs zum Tempel sind alle Liebesstellungen aus dem Kamasutra in Stein gemeißelt worden, um vor Augen zu führen, welchen Dingen man zur Erlangung einer reinen Seele versagen muss (Dies ist eine freie Deutung, auf Abbildungen verzichte ich aus Rücksicht auf minderjährige Leser). Der Jainismus hat seine Wurzeln im Brahmanismus und ist vor etwa 3.500 Jahren entstanden. Die Philosophie geht von zwei gegenüberstehenden Prinzipien, dem Geistigen und dem Ungeistigen, aus. Erst durch die Reinigung der Seele von allem Stofflichen steigt man in den höchsten Himmel auf und ist befreit vom ewigen Kreislauf der Wiedergeburt. Da alles Stoffliche beseelt ist (Menschen, Tiere, aber auch Bäume, Pflanzen, Wasser, Erde...), ist jede Entnahme der Natur gleichbedeutend mit schlechtem Karma. Die Jain töten und essen deshalb keine Tiere und ernähren sich nur in unvermeidlichem Maß von Pflanzen. Außerdem folgen Sie einem Gewaltlosigkeits- und Wahrheitsgebot. Mehr als 4 Mio Menschen praktizieren den Jainismus in Indien. Da die Anhänger weder als Fleischer noch Soldaten taugen, haben sie sich vor allem im Handel und Bankgewerbe niedergelassen und zählen nicht selten zu den Wohlhabendsten.




Donnerstag, 7. November 2019

Blue City

Heute sind wir in der Stadt Jodhpur, deren Altstadthäuser meist blau gestrichen sind, daher der Name Blue City. Sie wird überragt durch das mächtige Fort Mehrangarh, das auf einem Felsen hoch über der Stadt thront. Es wurde im 15. Jh. errichtet und über die Jahrhunderte immer weiter ausgebaut. Die Fassaden der Innenhöfe sind derart filigran aus dem Stein gehauen, dass man vermuten würde, es seien Holzschnitzereien. Eine 10km lange Stadtmauer umringt Fort und Altstadt. Das Zählen der Welterbestätten haben wir inzwischen aufgegeben, es sind wohl seit Delhi sieben oder acht gewesen.





Die Maharadschas von Jodhpur waren lange Zeit treue Vasallen der Moguln und kämpften an deren Seite. Als der König bei einem Feldzug in Afghanistan starb, verleibte sich Mogul Aurangzeb kurzerhand das Königreich Jodhpur ein und nahm den Sohn, der gerade im Säuglingsalter war, und die Töchter des Maharadschas in Gefangenschaft. Ein getreuer Feldherr befreite den Thronfolger, versteckte ihn und zog ihn mehr als zwanzig Jahre lang auf, bis er als junger Herrscher sein Königreich von Aurangzeb zurückeroberte. Tief beeindruckt von dieser Geschichte malte der deutschstämmige Archibald Müller vor etwa 100 Jahren ein Gemälde im Stile der Romantik, welches über Umwege den Weg in die Festung Mehrangarh fand und nun dort als Highlight präsentiert wird.

Am frühen Morgen bekamen wir zuerst eine Einweisung in die Bandhani-Kunst, im Westen auch als Tie&Dye oder Batik bekannt. Wir durften selbst Hand anlegen und fertigten Schritt für Schritt unsere eigenen Tücher. Zuerst drückten wir aus verschiedenen Grundfarben ein Muster ins Tuch und banden anschließend die Mitte der Farbklekse mit Hilfe von Bindfäden zu einer Art Knoten ab. Anschließend wurden die Tücher in einer speziellen Lösung mit etwas Hokuspokus in Sekundenschnelle gebleicht. Die ursprüngliche Farbe blieb lediglich im Bereich der Knoten erhalten. Danach färbten wir die Tücher komplett ein, entfernten die Knoten und legten sie zum Trocknen aus. Das Ergebnis war beeindruckend.




Am Nachmittag besuchten wir einen Antiquitäten-Großmarkt, schlenderten anschließend gemütlich über den Basar und ließen uns die verschiedenen Gemüsesorten erklären. Hindus ernähren sich grundsätzlich vegan oder zumindest vegetarisch, deshalb werden alle Arten von Gemüse und Obst angebaut und in den Restaurants dominieren vegetarische Gerichte die Speisekarte. Da Rinder heilig sind und Schweinefleisch von den Muslimen gemieden wird, hat man bei den Fleischgerichten meist die Wahl zwischen Hühnchen oder Hammel, das war´s. Fisch ist in Zentralindien eher selten, da lokal nicht vorhanden. In den Flüssen und Seen gibt es entweder keine Fische mehr oder sie sind ungenießbar. Bei einem Blick in die Flüsse wird einem das schnell klar, vom Geruch ganz zu schweigen.





Mittwoch, 6. November 2019

Pink City

Im Jahre 1876 besuchte der damalige Prince of Wales und spätere britische König Edward VII. die Stadt Jaipur. Der Maharadscha ließ aus diesem Anlass unter dem Motto „Unsere Stadt soll schöner werden“ alle Häuser rosa streichen. Diese Tradition blieb bis heute erhalten und es ist unter Strafe verboten, sein Haus in einer anderen Farbe zu streichen. Auf Grund dieser Farbe, die in Natur eher einem Terracotta-Ton ähnelt, wird Jaipur auch Pink City genannt. Berühmt ist der Palast der Winde mitten in der Stadt, dessen straßenseitige Fassade aufwendig verziert ist. Durch perforierte Natursteinfenster konnten die Hofdamen dem Treiben in der Stadt zusehen, ohne selbst gesehen zu werden. Die vielen kleinen Öffnungen in der Fassade lassen stets ein kühlendes Lüftchen hindurch wehen. Dieser Umstand verlieh dem Bauwerk seinen Namen.



Die Altstadt ist streng geometrisch in 9 Viertel eingeteilt, zwei davon werden vom Palastgelände eingenommen. Noch heute wohnt dort die Familie des ehemaligen Maharadschas, wenngleich sie ihren Titel seit der Unabhängigkeit Indiens nicht mehr tragen darf. Der Palast besticht durch kunstvolle Gebäude und aufwendig gestaltete Portale.

Ein weiteres UNESCO-Weltkulturerbe der Stadt, deren Altstadt selbst Welterbe ist, ist das Observatorium Jantar Mantar, erbaut von 1728 bis 1734 von Maharadscha Jai Singh II. Alle Instrumente sind original erhalten und von beeindruckender Genauigkeit. So lässt sich nicht nur der Winkel des Sonnenstandes genau ermitteln und der Polarstern anvisieren, sondern auch die Uhrzeit ist mit Hilfe großer Sonnenuhren unglaublich exakt abzulesen. Eine kleinere Sonnenuhr zeigt die Zeit auf 20 Sekunden genau an, mit der größeren Uhr lässt sich die Zeit sogar auf 2 Sekunden Genauigkeit ablesen! Von Schulklassen wird das Observatorium bis heute für den Astronomie- und Mathematikunterricht genutzt. Dass man selbst an die Instrumente (die man eher als Bauwerke denn Instrumente bezeichnen müsste) herantreten und sie benutzen kann, macht den besonderen Reiz dieses Museums aus. Man sollte allerdings einen kundigen Führer dabeihaben, der einen Funktion und Benutzung erklärt, sonst steht man wie das sprichwörtliche Schwein vorm Uhrwerk und rätselt über die Bedeutung polierter Marmorplatten und schräger Sandsteinrampen.




Jaipur ist Hochburg des Blockdrucks. Wir ließen uns in einer Manufaktur die aufwendige Fertigung erklären und durften selbst Hand anlegen. Anschließend ging es zum Shopping im hauseigenen Warenhaus.


Neben der Textilindustrie ist die Schmuckindustrie ein wichtiger Wirtschaftszweig mit etwa 300.000 Angestellten allein in Jaipur. Es gibt weltweit vier Arten von Diamanten und über 80 Halbedelsteine. Indien hat große Vorkommen an Edelsteinen und in Jaipur soll es die besten Diamantenschleifer weltweit geben. Alles ist Handarbeit, die Rohsteine werden mit Wachs auf Bambusstäben fixiert und an einer vertikalen Drehscheibe geschliffen, meist fünf oder sechs Stück gleichzeitig. Sechseinhalb Jahre Ausbildung sind notwendig, bevor man an den Schliff der echten Steine gelassen wird.

Am Nachmittag schlenderten wir durch das Basarviertel der Stadt, probierten z.B. in der ältesten Bäckerei der Stadt Herzhaftes und Süßes, aßen indisches Eis und tranken den berühmten indischen Lassi, der im Original mit einer fetten Rahmschicht bedeckt ist.
Unsere Mägen äußerten übrigens bisher keinerlei Unmut 😊.

Die älteste Bäckerei...

...mit Blick in die Backstube


Hier haben wir unsere Lassi gekauft, abgefüllt in Einweg-Tonbechern.

Seht Ihr den Affen?