Steffi und Hendrik in Asien und Afrika
Ein Reiseblog
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Freitag, 4. Oktober 2024
Zurück an die Arbeit
Donnerstag, 3. Oktober 2024
Schönheit und Zerfall
Wir fuhren heute mit Metro und Straßenbahn in ein etwas abseits des Zentrums liegendes Viertel. Vom berühmten Taksim-Platz startend, befand sich unsere Ausstiegsstation in der Mitte einer eigens für die Metro gebauten Brücke über dem Wasser des Goldenen Horns. Recht ungewöhnlich für eine Untergrundbahn, zumal der Anschluss an Bahn und Bus auf beiden Uferseiten einen ordentlichen Fußweg bedeutet.
Das Viertel Balat ist berühmt für seine farbenfrohen Häuserfassaden, Synagogen und orthodoxen Kirchen. Früher lebten hier hauptsächlich Juden, Griechen und Orthodoxe aus dem Balkan. Die meisten Juden sind nach der Gründung des Staates Israel ausgewandert und seit den 1970er Jahren siedeln sich zunehmend Türken, Kurden und Roma aus Anatolien an, die nun das Straßenbild prägen. Darunter mischen sich zahlreiche Touristen, weil das Viertel für seine kleinen Kneipen, Bäckereien und Shops bekannt ist. Die bunten Fassaden täuschen darüber hinweg, dass jedes zweite Haus renovierungsbedürftig scheint, einigen gar der Einsturz droht. An zahlreichen Häusern hängt das Schild satılık (zu verkaufen). Nach einer Kaffeepause und dem Besuch einer alten orthodoxen Kirche machten wir uns auf den Rückweg in unser Viertel. Man hats mal gesehen.
Auffällig sind die vielen Katzen im Straßenbild. Auf Schritt und Tritt schlendern sie einem um die Beine herum. Dabei sehen sie sehr gepflegt und gut genährt aus. Überall sieht man Katzenfutter und Trinknäpfe am Straßenrand. Etwa 150.000 wilde Katzen soll es in Istanbul geben. Sie gehören seit Jahrhunderten zum Stadtbild. Katzen sind eng mit dem islamischen Glauben verbunden, denn der Legende nach rettete die Katze Mohammeds dem Propheten das Leben, als sie ihn vor dem Schlangenbiss einer giftigen Natter bewahrte. Mohammed streichelte ihr voller Dankbarkeit über den Rücken – seither fällt keine Katze mehr auf den Rücken, sondern immer auf die Pfoten.
Die Katze des Propheten hieß übrigens Muezza (Muʿizza). Das klinkt doch sehr nach Mieze, wie wir unsere Katze rufen. Zufall?
Mittwoch, 2. Oktober 2024
Versunkener Palast
Dienstag, 1. Oktober 2024
Szenenwechsel
Gestern verabschiedeten wir uns von Usbekistan. Das Land hat uns mit seinen historischen Schätzen und den freundlichen Menschen beeindruckt. Vom äußersten Osten des Orients flogen wir an seinen westlichen Rand. Nun blicken wir von unserem Hotel-Frühstücksraum über die Dächer Instanbuls in Richtung Okzident. Drei volle Tage haben wir für die Metropole eingeplant, die wir bereits vor fünf Jahren bereisten.
40 Pappeln und flache Köpfe
Mangels Wäldern wird in Usbekistan überwiegend Pappelholz als Bauholz verwendet. Pappeln sind anspruchslos, wachsen schnell und lassen sich leicht verarbeiten. Die hiesigen Dachstühle haben mit ihren aufgeschraubten Wellblechen wenig zu tragen.
Bei der Geburt eines Kindes ist es üblich, einen finanziellen Grundstein für den neuen Erdenbürger zu legen. Ist es ein Junge, werden 40 Pappeln gepflanzt. Die 40 ist hier eine Glückszahl. Ist der Junge erwachsen, sind die Bäume groß genug, um als Bauholz fürs eigene Haus zu dienen oder um das Holz verkaufen zu können. In den Städten haben wenige Leute eigenes Land für die Pflanzung. Dann weist der Staat eine Fläche zu. So sind die meisten Straßen von Pappelreihen à 40 Stück gesäumt. Bei der Geburt eines Mädchens wird eine Schmuckschatulle angelegt und von der Verwandtschaft mit Erbstücken gefüllt. Zur Hochzeit ist das die Aussteuer.
Ein barbarischer Brauch wird zumindest teilweise noch immer gepflegt. Wir sahen Händler für Kinderwiegen und eigenartiges Zubehör. Die Wiegen haben mittig im Boden ein Loch. Dazu gibt es zwei Arten von Holzpfeifen, deren Zweck uns erläutert wurde. Die Babys werden rücklings in die Wiege gelegt und mit Stoffriemen festgeschnallt. Der Popo wird über dem Loch positioniert und eine abwaschbare Kunststoffplane mit Loch dazwischen gelegt. Für das kleine Geschäft dienen die Holzpfeifen in einer weiblichen und einer männlichen Ausführung. Diese werden angestöpselt mit dem Ablauf Richtung Loch. Unter der Wiege steht ein Nachttopf, der alles auffängt. Man kann sich die Tortur für die Kleinkinder vorstellen. Weil die Schädelknochen in diesem Alter noch weich sind, verformt sich der Kopf durch die andauernde Rückenlage. Noch heute sieht man deshalb viele Usbeken, vor allem ältere, mit flachem Hinterkopf.
Eine weitere Unsitte konnten wir auf den zahlreichen Baumwollfeldern beobachten. Um die begehrten Samenhaare der Früchte leichter pflücken zu können, werden die Felder ein paar Tage vor der Ernte mit Pestiziden besprüht, damit die Blätter vergilben und abfallen. In diese verseuchten Felder gehen dann die Frauen, um mit den Händen in gebückter Haltung die Wollbüschel zu pflücken. Das Gift schädigt nicht nur die Erntenden, sondern gelangt über die Baumwolle in unsere Kleidung und den gesamten Kreislauf. Langsam findet ein Umdenken statt. Kleinere Betriebe setzen auf Bioware und verzichten auf die chemische Keule.
Ein Hindernis in der Entwicklung des Landes ist die weit verbreitete Korruption. In einem Staat, wo sich Polizisten schmieren lassen, um keinen Strafzettel auszustellen, wo eine deutsche Baufirma den Autobahnbau abbricht, weil Baustoffe, Werkzeuge und Maschinen in Größenordnungen verschwinden, wo jegliches Geschäft durch drei, vier Hände läuft, da kann es nicht wirklich vorwärts gehen. Zumindest laviert Usbekistan politisch geschickt mit den Supermächten, macht Geschäfte mit Russland, China, Indien und dem Westen gleichermaßen und lässt sich dabei auf keine Seite ziehen.
Sonntag, 29. September 2024
Chiwa
Auf besonderen Wunsch hin und mit einer Prise Eigenantrieb schreibe ich nun auf dem kleinen Smartphone-Bildschirm unsere Erlebnisse in Usbekistan fort. Auch habe ich einen Weg gefunden, die Kamerafotos aufs Telefon zu übertragen.
Die Oasenstadt Chiwa blickt auf eine mehr als zweieinhalbtausend Jahre alte Geschichte zurück. Ab dem 16. Jahrhundert bis zur Eingliederung in die Sowjetunion regierten 53 Khans das Khanat Chiwa, welches sich vom Kaspischen Meer über den Aralsee bis an die Grenzen des Emirates Buchara erstreckte. Das Kennzeichen der Einwohner von Choresmien, wie die Region genannt wird, sind große Fellhüte, welche im Sommer vor Sonnenstich und im Winter vor Kälte schützen. Ein bedeutender Teil des ehemaligen Herrschaftsgebiets liegt im heutigen Turkmenistan, einer Blackbox in Sachen Tourismus. Das Nachbarland wird autoritär regiert und schottet sich stark ab. Touristen erhalten nur dann ein Visum, wenn sie eine Einladung von Einheimischen vorlegen. Die Bevölkerung trägt ausschließlich traditionelle Kleidung. Nachdem anfangs noch Frauen ab vierzig Auto fahren durften, ist ihnen dies seit 2018 komplett verboten. Die Regierung führte als Grund eine Statistik an, wonach Frauen in mehr als 50% der Verkehrsunfälle verwickelt gewesen seien. Jetzt dürfen Frauen nicht einmal mehr vorne im Auto sitzen, sondern nur noch im Fond. Hier in Usbekistan dürfen die Frauen zwar Auto fahren, aber eine Form der Diskriminierung gibt es insofern, dass auf Frauen zugelassene Fahrzeuge mit einem Stöckelschuh-Symbol am Heck gekennzeichnet sind, ähnlich dem "L" bei Fahranfängern. Soll heißen: Bitte besonders aufmerksam sein.
Zurück nach Chiwa. Die Stadt wurde früher von zwei Mauerringen umgeben. Davon ist nur noch der innere Ring erhalten, dafür aber nahezu vollständig. Diese innere Stadt ist ein Museum. Der Eintritt wird am Eingangstor fällig. Wir wohnen innerhalb der Stadtmauern, also mitten im Museum. Die meisten Gebäude sind aus Lehmmörtel errichtet. Die UNESCO hat ein Auge darauf, dass Gebäude nur mit diesem Baustoff errichtet oder saniert werden. Der Lehm wird an Ort und Stelle eingeweicht, mit Stroh vermischt und verarbeitet. Aus dem Stadtbild ragen mehrere Minarett-Türme heraus. Den höchsten haben wir auf einer engen Wendeltreppe bestiegen. Wir wurden mit einem grandiosen Blick über die Stadt belohnt. Ein besonders dicker Turm blieb unvollendet. Über den Grund ranken sich Mythen. Er sollte einst 70 bis 100 m hoch werden und damit das höchste Minarett der islamischen Welt. Der Emir von Buchara soll den Baumeister mit doppeltem Lohn zu sich gelockt haben, um die Vollendung zu verhindern. Ein architektonisches Highlight und einzigartig in Zentralasien ist die mehr als eintausend Jahre alte Freitagsmoschee. Der Innenhof wurde als Schutz vor Sonne, Regen und Kälte überdacht. Das flache Dach wird von 212 kunstvoll geschnitzten Holzsäulen getragen, welche in einem symmetrischen Abstand von 3,15 m zueinander stehen. Der Erhalt der Säulen wird von einem Verein aus Quedlinburg unterstützt und so trafen wir einen Tischler und eine Restauratorin aus deutschen Landen in der Moschee, als sie usbekische Tischler unterwiesen.
Auf Schritt und Tritt bietet die Stadt Fotomotive. Auf dem zentralen Platz backen Frauen in traditionellen Lehmöfen, Tandor genannt, Brot. Auf den Terrassen der Restaurants lässt es sich hervorragend verweilen. Abends sind Live-Bands und Tanzgruppen unterwegs. Die Einwohner Chorismiens sind berühmt für ihre Musik und Fröhlichkeit.